Wo kommt Sie her? Was hat sie nach Deutschland gebracht? Der „Kleine Brehm“ von 1954 – Autor Johannes Klapperstück – weiß:
Lange bevor die Wissenschaft etwas über den Sumpfbiber / die Nutria wusste, wurde sein Fell gehandelt. Allein nach England wurden vor über 120 Jahren etwa 430.000 Felle aus der Heimat des Sumpfbibers, Südamerika, ausgeführt. So ist der Pelz der Allgemeneiheit schön näher bekannt. …
Im zoologischen System wird der Sumpfbiber als Myocastor coypus Mol. geführt.Die Namensgebung geht gemäß Prioritätsregel auf den chilenischen Geistlichen Johann Iganz Molina (1782) zurück, der das Tier mit dem in Chile üblichen Namen Coypu belegte. Den Angaben eine spnischen Offiziers, Felix D’Azara (1783-97) ist zu entnehmen, dass bereits zu seiner Zeit Sumpfbiber von Eingeborenen in den Provinzen Buenos Aires und Tuciman aufgezogen wurden.
Man könnte also sehr vorsichtig von den ersten Anfängen eines Versuches zur Domestikation des Sumpfbibers sprechen.
Die Felle werden im 18. Jahrhundert vor allem zur Anfertigung von Hutfilzen verwendet und zu einem Preis von ca. 20 € gehandelt.
Azara betont, dass ihm die Dichte des Felles nicht erlaubt habe, die Zitzen zu zählen. Da die eigenartige Lage derselben auf dem Rücken des Tieres zu damaliger Zeit nicht bekannt war, konnte er sie ja auch kaum finden. … Christy (1835) erwähnt erstmalig die außerordentlich hohe Lage der Zitzen an der Seite.
Das Fell des Sumpfbibers
Das Fell des Sumpfbibers, das ihn so begehrenswert macht, besteht aus verschiedenen Haartypen: Aus feiner Unterwolle/Flaumhaar und aus der Begrannung. Diese letztere verdeckt die Unterwolle am Tier vollständig und bestimmt die Farbe.
Die Grannen sind aber bei der Verwertung als Pelz unerwünscht und werden durch bestimmte Spezialverfahren herausgerumpelt (Rumpeln), nachdem sie höheren Temperaturen ausgesetzt wurden. Licht (1935) unterscheidet in der Begrannung drei Typen …
Die Granne bedeckt die flaumig-weiche Unterwolle, die den eigentlichen Schutz des Körpers gegen Feuchtigkeit und Einwirkungen von außen überhaupt bildet. Daher sind die Flaumhaare auf der Bauchseite besonders dicht, da diese dem Wasser mehr ausgesetzt sind als der Rücken. Die Bauchseite ist dehalb die vom Handel geschätzte Seite des Felles. Die Felle sind in Konsequenz als „Beutel“ oder auf dem Rücken aufgeschnitten abzulieferen. Mehr Nutria-Pelzkunde …
Nutria-Zucht. Blick zurück in die 50er
Die in Südamerika schon länger vorhandenen und jetzt auch bei uns (DDR) vermehrt zur Zucht herangezogenen Albinos versprechen offensichtlich große Erfolg in der Pelztierzucht.
Es wird dabei gekreuzt zwischen weiß-, gelb- oder sandfarbigem Albinobock und normalfarbiger Metze. Die der ersten Folgegeneration entstehenden silbergrauen Metzen werden dann mit dem eigenen Vater zurückgekreuzt, und die beiden Augsgangstiere können so zurückerhalten werden.
Aber nicht nur im Osten wird gezüchtet und gepelzt (Töten und Häuten der Tiere) – auch im Westen erlebt die Nutria-Branche einen von übertriebenen Profiterwartungen geschürten Boom. Die zum Aufbau der Zuchtlinien erforderlichen Elterntiere kommen zunächst aus Frankreich. Der französiche Nachbar ist schon vor dem zweiten Weltkrieg mit aus Argentinien importierten Zuchttieren in das Nutria-Geschäft eingestiegen.
Die Franzosen hatten noch vor den Deutschen mit der kommerziellen Nutriazucht begonen, zum Teil Fischwirtschaft und Pelzgeschäft kombiniert. Grund: Einerseits benötigt die Nutria Wasser und ausreichend Fläche, um sich gesund zu entwickeln. Andererseits begrenzt die Nutria das Wachstum von Wasserpflanzen, verbessert Wasserqualtiät und Fischertrag. Bei träge fließenden Gewässern wirkt die Äsung der Sumpfbiber der Sedimentation entgegen, d. h. das Wasser kann fließen statt von Wasserpflanzen gebremst zu werden, zu versanden und zu verschlammen.
In den 50ern, 60ern und 70ern ist Pelz ein weit verbreitetes und bei Modemachern und schönen Frauen gleichermaßen begehrtes Luxusgut. Man muss nur einen Blick in die damals führenden Modemagazine werfen, um sich eine Vorstellung zu machen.
Aber die Zeiten ändern sich. Dank hochkarätiger Unterstützung von Brigitte Bardot und weiterer Prominente wie Linda McCartney nimmt die Tierschutzbewegung Fahrt auf. Nutria und anderer Pelz werden immer weniger tragbar. Der Erfolg der Perlzgegner-Kampagne ist in weniger toten Robbenbabys und mehr ausgewilderten Nutrias messbar: Nutrias, die auf eigene Faust oder mit Unterstützung ihrer früheren Besitzer den Weg in die Freiheit angetreten haben!
Und da können wir sie heute erleben. Vielleicht noch ein bisschen verträglicher und dem Menschen zugewandter als ihre lateinamerikanischen Vorfahren. Sozialität und Sanftheit im Wesen waren neben Haarqualität wichtige Merkmale für die züchterische Selektion!